Wandbespannungen

Herkunft und Geschichte:

Im Inventar des Malberger Schlosses befinden sich acht bemalte Wandbehänge, die zur bauzeitlichen Ausstattung des Schlosses gehören und in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts zu datieren sind. Die Behänge stammen aus der Manufaktur des Frankfurter Malers Johann Andreas Nothnagel, der ab 1747 in der Frankfurter Tapetenmanufaktur von J.N. Lentzer arbeitete und diese nach dessen Tod 1749 weiterführte. Landschaftszimmer waren im 18. Jahrhundert der große Renner. Nicht nur Adlige, sondern auch betuchte Bürger leisteten sich in ihren Schlössern und Palais einen repräsentativen Fest- und Empfangsraum, den sie mit Bildtapeten schmückten. Auch der kunstsinnige Franz Moritz von Veyder, ein Verwandter und Erbe des Bauherrn Johann Werner von Veyder (Weihbischof in Köln), folgte dem Zeitgeist, als er 1760 für die Ausstattung seines barocken Hauses die bemalten Wandbespannungen aus Leinen von der Frankfurter Manufaktur Nothnagel bezog.

Allein die Tatsache, dass es nur noch wenige bemalte Wandbehänge aus dieser Zeit gibt, lässt die Behänge schon wertvoll erscheinen. Beachtet man zusätzlich, dass man es mit einem zusammengehörigen und vielleicht sogar kompletten Ensemble zu tun hat, dann muss man diese Dekorationsstücke als etwas ganz besonderes ansehen.
Das Ensemble zeigt Szenen aus dem höfischen Leben, wie sie im 18. Jahrhundert sehr beliebt waren. Da keine Unterlagen zu den Behängen existieren, haben die Restauratorinnen den Wandbehängen für ihre Arbeit aufgrund ihrer Motive folgende Namen gegeben: Falkenjagd, Harlekin, Gartenfest, Brunnenpostament, Jäger, Jägerin, Paar am Tisch, Liebespaar. Vier der Wandbehänge sind Großformate von bis zu ca. 3,5 x 5 m, bei denen das Hauptthema sehr detailgenau und liebevoll von zahlreichen Begleitszenen umgeben ist.

Die Informationen zur Geschichte der Behänge sind äußerst spärlich. Ursprünglich sollen sie im Salon des 1. Obergeschosses gehangen haben, wurden jedoch in Folge eines Brandes im Jahre 1865 demontiert. Die Behänge „Gartenfest, Harlekin, Falkenjagd und Jägerin“ wurden im so genannten Gobelinzimmer des Erdgeschosses untergebracht, die anderen gerahmt und auf verschiedene Räume des Schlosses verteilt.

Goethe und die Firma Nothnagel

Zu den Kunden der damals führenden Tapetenfabrik Europas gehörten Könige und andere hochvermögende Häuser wie die Metternichs. Tapeten waren teuer, wie eine Preisliste der Firma Nothnagel aus dem 18. Jahrhundert zeigt. Dort heißt es: Tapeten, „Facon Hautelisse“ (nach Art von Gobelins) „auf gerippte Leinwand mit historischen Pastorales (Schäferszenen), Jagden oder anderen ländlichen Vorstellungen: besagte Quadrat-Elle à 1 Gulden. Eine Frankfurter Elle entsprach etwa 0,54 cm. Ein Meister arbeitete für einen Gulden zu der Zeit etwa zwei Tage.

Selbst Johann Wolfgang Goethe zählte zu den Kunden Nothnagels. Den jungen Johann Wolfgang zog es mit Leidenschaft zum Meister Nothnagel, der sich neben der Tapetenherstellung auch als Kunsthändler, Maler und Radierer betätigte. Hier nahm der Kunstliebhaber Goethe zum ersten Mal den „Ölpinsel“ in die Hand. „Das Schicksal meines Lebens hängt sehr an diesem Augenblick“, schrieb er jugendlich-theatralisch an eine Freundin. Ganz so schicksalhaft wurde es dann doch nicht, der Manufaktur Nothnagel blieb der Dichterfürst jedoch zeitlebens verbunden. Aus „Dichtung und Wahrheit“ ist dem Leser auch der Fabrikbetrieb geläufig. Bei aller Verehrung sah Goethe den malenden Unternehmer durchaus nüchtern: „Ein geschickter Künstler, der aber sowohl durch sein Talent als durch seine Denkweise mehr zum Fabrikwesen als zur Kunst hinneigt“. Als Fabrikant hat der 1729 geborene Thüringer eine steile Karriere gemacht. Bereits mit 24 Jahren war er Unternehmenschef. Als der „Kaiserlich Privilegierte Fabrikant und Handelsmann“ 1804 hoch angesehen in Frankfurt starb, hinterließ er ein beträchtliches Vermögen und eine florierende Fabrik.

Technologischer Aufbau

Die acht bemalten Wandbehänge zeigen einen Typus von Wanddekoration, der zwischen „echten Tapisserien“ und bemalten Wandtapeten anzusiedeln ist. Unter „Echten Tapisserien“ versteht man in Wolle gewirkte Bildteppiche, bei denen der Wollfaden nur durch das jeweilige Farbfeld hin und her geführt wird; oft wurden sie auch als Gobelin bezeichnet, benannt nach der Wollfärberfamilie, in deren Haus sich die Königliche Bildteppichmanufaktur von Paris befand. Bildteppiche sind bewegliche Ausstattungsstücke, die nach bedarf gehängt werden. Die bemalten Behänge dienten dazu, den Zwischenraum vom Sockelpaneel zur Decke in der vertikalen Ebene und gleichzeitig die Wände umlaufend in der horizontalen Ebene zu füllen. Sie sind fest an der Wand montiert. Auf den ersten Blick erinnert das Erscheinungsbild der Malberger Behänge sehr stark an gewebte großformatige Tapisserien. Erreicht wurde dieser Effekt durch die Verwendung eines strukturierten Grundgewebes mit Rippenbildung. Auf dieses Gewebe wurde die wässrig gebundene Malerei ohne Grundierung sehr pastos (breiig) und dickschichtig aufgebracht, ohne aber die Rippenstruktur abzudecken.

Zustand von 1997

Bei der ersten Begutachtung im Jahre 1997 durch die Restauratorinnen konnte man den äußerst desolaten Zustand der Objekte direkt erkennen. Die zahlreichen Standortwechsel, die jedes Mal mit einem Abnehmen und Wiederaufnageln verbunden waren, spiegelten sich deutlich in ihrem Erhaltungszustand wieder. Alle Behänge waren brüchig, stark verschmutzt und zeigten zahlreiche Risse, Löcher und auch großflächige Fehlstellen im Gewebe. Je nach gewähltem Standort waren ganze Partien eingeschnitten, entfernt oder nach hinten eingeschlagen worden. An allen Behängen fanden sich mehr oder weniger starke Wasser- und Schimmelschäden. Die licht- und klimatechnischen Bedingungen vor Ort sowie die mechanischen Belastungen, denen die Behänge ausgesetzt waren, blieben auch für die Malerei nicht ohne Folgen. Viele Farbbereiche sind heute ausgeblichen und reichen somit bei weitem nicht mehr an die ursprüngliche Farbintensität heran. Der Abbau des Bindemittels sowie die Lockerung von pastosen Partien haben dazu geführt, dass großflächig Farbbereiche fehlen und somit die Farbintensität und Farbkontraste nicht mehr vorhanden sind. Diese Schadensbilder lassen sich vor allem in den Himmelbereichen erkennen, die ursprünglich mit Farbübergängen von weiß über rosafarben und hellblau gestaltet waren. Diese Farbgestaltung ist heute nur noch zu erahnen. Alle Objekte wurden eingehend untersucht und die Ergebnisse fotografisch, schriftlich und grafisch festgehalten.

Restaurierung 

Zunächst wurden die Behänge von beiden Seiten mehrfach vorsichtig mit verschiedenen feinen Pinseln unter Staubabzug gereinigt. Für diesen Arbeitsgang mussten stark pudernde Malschichten vorgefestigt werden. Anschließend wurden alle alten Reparaturmaßnahmen wie aufgenähte, dahinter genähte auf- und hinterklebte Flicken sowie stark verzogene Stopfstellen entfernt. Nach der Oberflächenreinigung konnte die Malerei ganzflächig gefestigt werden. Dies beinhaltete hauptsächlich das Anreichern der unterbundenen, puderigen Farbbereiche mit neuem Bindemittel sowie partielles Festigen von pastosen Farbschollen, die sich vom Gewebe gelöst hatten. Für die Sicherung des zerschlissenen Gewebes mussten zunächst Leinengewebe und feines Baumwollgarn in verschiedenen Farbtönen eingefärbt werden. Das Leinengewebe wurde in passende Stücke zugeschnitten, unter die zerstörten Partien gelegt und von der Vorderseite mit Spannstichen nähtechnisch fixiert. Die großen Fehlstellen im Gewebe mussten anders behandelt werden, da sich die gleichmäßige Färbung und die Struktur des leinwandbindigen Stützgewebes von den bemalten Originalpartien zu stark abgesetzt hätte. Eine optische Anpassung konnte nur durch Nachwebung erreicht werden. Auf Grundlage der durchgeführten Analysen wurde der Stoff originalgetreu nachgewebt. Eine gleichmäßige Einfärbung dieses Gewebes hätte sich ebenfalls nicht der Umgebung der Fehlstellen untergeordnet. Deshalb entschloss man sich hier, das Ergänzungsgewebe der jeweiligen Fehlstellenumgebung entsprechend neutral, aber dennoch in den Farben differenziert mit Pigmenten und Bindemittel einzutönen. Wichtig war dabei, den Gemäldecharakter der Behänge nachzuempfinden, ohne fehlende Darstellungsbereiche zu rekonstruieren.

Während der Arbeiten zeigte es sich, dass ein Teil der Behänge mit einer zusätzlichen Bordüre am unteren Rand versehen war, die man zuerst als spätere Zutat und somit als nicht original erachtete. Bei der Vermessung des oberen Festsaals stellte sich dann aber heraus, dass diese Bordüren dazu dienten, die Höhe des Zwischenraums vom aufgemalten Sockelpaneel (Lambris) zur Deckenstuckleiste komplett zu füllen. Somit sind sie als Originalausstattung zu betrachten. Deshalb entschloss man sich, die fünf fehlenden Bordüren aus dem nachgewebten Strukturgewebe herzustellen und mit Neutralretuschen anzugleichen. Zur Abstützung der Wandbehänge mussten diese abschließend mit einem Futterstoff ganzflächig hinterlegt werden. Das Futter dient dazu, die Zugbelastungen, die beim Hängen auf das Originalgewebe einwirken, abzufangen.

Nach Aussage der Restauratorinnen war es besonders schwierig, einen Stoff nachzuweben, der dem Original entsprach, um die Fehlstellen zu ergänzen. Besonders stolz ist das Restauratorenteam, dass es ihnen gelungen ist, festzustellen, wo genau die Wandbehänge ursprünglich hingen, so dass sie dorthin zurückgeführt werden konnten und heute wieder zu bewundern sind.

Die Kosten für die aufwendige Instandsetzung der bemalten Leinengewebe sowie die Kosten für deren Endmontage hat die Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur übernommen.